Rede von Pfarrer Henninghausen zur Beerdigung Hamms

Ließen wir heute unserem Herzen freien Lauf, fühlten wir uns ohne Bindung an Gesetz und Gebot aus Gottes ewigem Mund, wir könnten nicht anders, als nur mehr in Hass und Rache denken. Was also ist uns geblieben von unserem lieben Dr. Eduard Hamm? - eine Urne mit Asche – und dieses in den Tagen, da wir doppelt und dreifach nötig gehabt hätten ihn, den klugen, bedachten, weit schauenden Diener unseres Volkes.

Bäumt sich da nicht alles in uns auf? Und gar, wenn wir auf uns wirken lassen den Ablauf seiner Jahre – mit dem friedlichen Beginn in Passaus stiller Umfriedung in den Tagen tiefsten Friedens, da man schrieb den 16.10.1879 – mit seiner Weiterführung durch St. Benedikts Söhne in Metten und St. Stephan – mit seiner Vertiefung im liebedurchwobenen Elternhaus – mit seinem Aufbrechen sondergleichen in der alten Münchener Universität und im hohen Maximilianeum – mit dem Reifen edler Früchte im wechselvollen Dienste des Bayerischen Staates und Deutschen Reiches – mit dem klaren Abheben, was er wirklich werden wollte: der brauchbare, gerade, aufrechte Charakter, erst recht in Tagen der Heimsuchung und Not und Gefahr, der nicht versagte, wenn andere längst nicht mehr konnten, der immer helfen wollte, Bitterkeit zu lindern und Wunden zu heilen.

Die vielen wechselnden Titel dieser seiner Jahre geben nur ein schwaches Spiegelbild von der Fülle seiner Gedanken und der vielen unzähligen Tage und Nächte in Arbeit und Sorge und Planung – bis zu jenem Jahre, das mit Jubel und Begeisterung Deutschlands Sturz und Schändung einleitete mit viel Lärm, dahinter kein Können, nur eitle Ruhmsucht und gewissenlose Tyrannis.

Als dieses Jahr aber angebrochen, war keine Frage mehr nach ihm, da konnte man ihn nicht mehr brauchen: den Rufer in der Wüste, den Warner in der Stunde der Gefahr, den Sorger für die Bedrückten und Entrechteten. Für ihn selber war dieses schmerzliches, vielleicht sogar schmerzlichstes Erleben. Er trat von der Bühne des politischen Lebens, um nur mehr als Rechtsberater manchem Armen des Volkes zu dienen. Das aber war nicht mehr des Rühmens wert durch die Stimme der Öffentlichkeit. Die hatte nun andere Aufgaben. Die musste von Großtaten künden, die nur Fassade waren, von der Wende zum Glück reden, die in den Abgrund führte, vom begonnenen goldenen Zeitalter, das schließlich als beste Früchte Not und bitterste Armut, Niederlage und furchtbarstes Elend anzubieten hatte. Und als wirklich der Versuch einer Notwende gemacht wurde, da wurde unser Lieber mit hineingerissen, schon um solche Führerpersönlichkeit einer nachfolgenden Zeit geraubt zu haben.

So sollte nach allem schon Erlebten auf Gottes weiter Welt, nach vielen Fahrten übers Meer und anderer Menschen Länder, nach der Traulichkeit seines Heimes in den bayerischen Bergen – letzte Station das Gefängnis an der Lehrter Straße zu Berlin sein, dorten er Verbrechern beigezählt war. Über seinen letzten Wochen liegt der Schleier des Unbekannten. Wer ihm nahestand, dem Mann der Tat, des klaren Entschlusses, des tiefen Glaubens und ungebeugten Willens, der kann schwerlich glauben, was von seinem Ende berichtet wurde. Der kann aber wohl glauben, dass Häscherhände sich mordend an ihn gewagt. Darum möchten Hass und Rache heute in unserem Herzen stehen. Stünden sie aber auch im Herzen unseres Toten? Ich glaube nicht. Er würde uns wohl die alte Wahrheit in die Erinnerung rufen:

„Vergesst es nicht, wenn Ihr gut sein wollt, und das ist doch Euer Streben, dann müsst Ihr Liebe säen – nicht aus Schwäche, sondern aus dem Großmut des ewigen Herzens. Solche Früchte kannst Du nimmer ernten nur aus dem Samenkorn von Hass und Rache.“

Und weiter würde er uns wohl künden:

„Ihr trauert tief um mich, ich weiß um die Echtheit in Eueren Herzen, aber schaut, bin ich Euch heute denn nicht näher als je in den Jahren der Vergangenheit? Wir sind geeint in Ihm, dem Lenker allen Geschickes, dem Quell allen Lebens, dem Hort aller Liebe.“

Und es ist, als ob von allen Bildern seines Lebens: des jungen begabten, des mutig vorwärtsstrebenden, des klugen und reifen Mannes doch am stärksten und einprägsamsten beleben dürfte das Bild, das sein ganzen Wesen einschließt: des treuen Freundes und liebenden Vaters, der im Kreis der Seinigen nicht anders sein konnte als in der großen Gemeinschaft des Volkes, nämlich voller Liebe, geboren aus dem ewigen Gott, voll Sorge, gewachsen aus heiliger Furcht, nicht für sich zu leben, sondern alles zu werden für die Seinigen. So hatte er es von seinen guten Eltern erfahren, so hat er es selber erlebt und bestätigt gefunden in den Tagen des Friedens und in den Jahren der Kriege. Und darum möchte er uns heute wohl auch sagen: „Schaut tiefer!“ Meine Hände sind in Fesseln geschlagen worden durch brutale Macht, mein Mund ist stumm geworden durch eine Justiz, die allem Menschenrechte Hohn gesprochen, mein Herz aber konnten sie nicht besiegen, es schlägt weiter in meinem Erbe, im Herzen meiner tapferen Weggefährten, meiner treuen Freunde und schließlich im Herzen meines über alles geliebten Volkes!“

Und das ist doch überhaupt der Sinn seines Lebens geworden: Dem großen Lebenswerk hat er sich geopfert, ihm hat er sein Letztes, sein Leben gegeben, nicht, um eines Tages tot zu sein, sondern um ewig weiterzuleben im Reiche des unsterblichen Gottes.


Amen

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